Herausforderungen und Lösungen nach DWA-A 102 und AFS63
Mikroplastik ist zu einem der drängendsten Umweltprobleme unserer Zeit geworden. Besonders problematisch ist der Abrieb von Reifen, der eine bedeutende Quelle für Mikroplastik in der Umwelt darstellt. Diese winzigen Kunststoffpartikel werden bei jedem Bremsvorgang, bei Beschleunigung und in jeder Kurve von den Reifen abgetragen und gelangen über die Straßenentwässerung ins Regenwasser. Die Herausforderung für Kommunen und Planer besteht darin, die Belastung der Umwelt zu minimieren und gleichzeitig den gesetzlichen Vorgaben und technischen Standards gerecht zu werden. Hierbei spielen die Regelungen des DWA-A 102 und das Konzept der Elimination der abfiltrierbaren Stoffe kleiner als 63 µm (AFS63) eine wichtige Rolle.
Reifenabrieb als Mikroplastikquelle
Tabelle 1: Quellen von Mikroplastik in der Umwelt
Reifenabrieb ist eine der Hauptquellen von Mikroplastik in der Umwelt. Jährlich gelangen weltweit Millionen Tonnen dieser feinen Partikel in die Natur. Der Abrieb entsteht durch die Reibung der Reifen auf der Straßenoberfläche. Dabei werden Gummi- und Kunststoffpartikel in die Atmosphäre freigesetzt und mit dem Niederschlag in die Oberflächengewässer transportiert. Der Abrieb enthält verschiedene Stoffe wie Ruß, Additive und weitere potenziell schädliche Substanzen, die die ökologische Qualität von Gewässern beeinträchtigen können.
Da Mikroplastikpartikel so klein sind, können sie leicht über Regenwasserabflüsse in Flüsse, Seen und schlussendlich in die Ozeane gelangen. Einmal in der aquatischen Umwelt angekommen, stellen sie eine erhebliche Gefahr für die Wasserlebewesen dar. Sie können von Organismen aufgenommen werden, reichern sich in der Nahrungskette an und führen so zu langfristigen ökologischen Problemen.
Geschichtliche Entwicklung des Mikroplastikproblems
Die Problematik des Mikroplastiks reicht zurück in die Mitte des 20. Jahrhunderts, als Kunststoffe in der Produktion zunehmend verbreitet wurden. Bereits in den 1950er Jahren begann die Kunststoffindustrie, in großem Umfang synthetische Materialien für eine Vielzahl von Anwendungen zu produzieren, was zu einer kontinuierlich steigenden Präsenz von Kunststoffpartikeln in der Umwelt führte. Die Entdeckung von Plastikmüll in den Weltmeeren wurde erstmals in den 1970er Jahren dokumentiert, doch erst in den letzten zwei Jahrzehnten haben sich Wissenschaftler intensiv mit der Problematik von Mikroplastik befasst.
Die frühen 2000er Jahre markierten einen Wendepunkt, als der Begriff "Mikroplastik" erstmals von Wissenschaftlern verwendet wurde, um die kleinsten Kunststoffpartikel zu beschreiben, die zunehmend in aquatischen Lebensräumen nachgewiesen wurden. Die wachsende Besorgnis über den Umwelteinfluss dieser Partikel hat zu zahlreichen wissenschaftlichen Studien geführt, die die Auswirkungen von Mikroplastik auf die marine Umwelt und die menschliche Gesundheit untersuchten. Insbesondere wurde festgestellt, dass Mikroplastik über die Nahrungskette in den menschlichen Körper gelangen kann.
In den letzten Jahren hat das Bewusstsein für die Folgen des Mikroplastiks deutlich zugenommen. Die europäische Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie von 2008 war eines der ersten politischen Instrumente, das die Reduzierung von Müll in den Meeren, einschließlich Mikroplastik, forderte. Seitdem wurden weitere Richtlinien und nationale Gesetzgebungen eingeführt, die sich speziell der Reduzierung und Behandlung von Mikroplastik widmen.
Rechtliche Grundlagen zur Regenwasserbehandlung
Die steigende Aufmerksamkeit für das Problem der Mikroplastikverschmutzung führt dazu, dass die Anforderungen an die Regenwasserbehandlung stetig verschärft werden. Die Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V. (DWA) hat mit dem Arbeitsblatt DWA-A 102 eine wichtige technische Regel vorgelegt, die Planern und Kommunen Hilfestellung bei der nachhaltigen Regenwasserbewirtschaftung gibt. Das Arbeitsblatt beschreibt die Anforderungen an die Ableitung und Behandlung von Niederschlagswasser von Verkehrsflächen.
Eine zentrale Rolle spielt dabei die Minimierung von Schadstoffeinträgen in Oberflächengewässer. Das Ziel ist es, den Eintrag von Schadstoffen aus dem Straßenabfluss in die Gewässer auf ein Minimum zu reduzieren. Dies betrifft nicht nur Schwermetalle und Ölrückstände, sondern auch die Mikropartikel aus Reifenabrieb.
Aktuelle politische Diskussionen und gesetzliche Entwicklungen
Tabelle 2: Politische Maßnahmen zur Reduzierung von Mikroplastik
Die aktuelle politische Diskussion über Mikroplastik fokussiert sich vor allem auf die Notwendigkeit, die Quellen dieser Verschmutzung zu verringern und striktere Regelungen für die Behandlung von kontaminiertem Wasser einzuführen. Die Europäische Union arbeitet intensiv an der Weiterentwicklung der Richtlinien für die Wasserrahmenrichtlinie, um sicherzustellen, dass auch neue Schadstoffe wie Mikroplastik wirksam bekämpft werden.
In Deutschland ist das Thema Mikroplastik ebenfalls ein wichtiger Bestandteil der Umweltpolitik. Der "Nationale Aktionsplan Kunststoff" ist ein Beispiel dafür, wie versucht wird, auf allen Ebenen die Nutzung von Kunststoffen zu verringern und alternative Materialien zu fördern. Der Fokus liegt dabei auch auf einer besseren Behandlung von Niederschlagswasser, da dies eine der hauptsächlichen Transportwege für Mikroplastik in die Umwelt ist.
In der politischen Diskussion steht zudem die Frage im Vordergrund, wie Reifenhersteller dazu verpflichtet werden können, umweltfreundlichere Materialien zu verwenden, um den Abrieb zu minimieren. Dies könnte langfristig zu einer deutlichen Verringerung der durch den Straßenverkehr verursachten Mikroplastikbelastung führen.
Behandlungskonzepte zur Elimination von Mikroplastik
Tabelle 3: Vergleich verschiedener Behandlungstechnologien für Straßenabfluss
Die effiziente Behandlung von Regenwasser, das Mikroplastik aus Reifenabrieb enthält, ist eine technische Herausforderung. Hierbei spielen mechanische, chemische und biologische Verfahren zur Behandlung des Regenwassers eine Rolle. Besonders die Elimination der abfiltrierbaren Stoffe kleiner als 63 Mikrometer (AFS63) ist ein zentrales Thema in der Planung und Realisierung von Entwässerungssystemen.
AFS63 beschreibt einen Filtrationsprozess, bei dem Stoffe, die kleiner als 63 Mikrometer sind, aus dem Wasser entfernt werden. Die Bedeutung der AFS63 liegt darin, dass viele Mikroplastikpartikel, insbesondere jene aus Reifenabrieb, sich in dieser Größenordnung befinden. Das bedeutet, dass eine effektive Regenwasserbehandlung, die darauf abzielt, AFS63 zu eliminieren, auch einen wesentlichen Beitrag zur Verminderung von Mikroplastik leisten kann.
Technische Lösungen zur Behandlung von Straßenabfluss
Tabelle 4: Inhaltsstoffe von Reifenabrieb und deren Auswirkungen auf die Umwelt
Zur Behandlung von mit Mikroplastik belastetem Regenwasser gibt es unterschiedliche Lösungsansätze, die auf dem Markt verfügbar sind. Eine Möglichkeit ist der Einsatz von Sedimentationsanlagen. Hierbei handelt es sich um technische Systeme, bei denen sich die Schwebstoffe aufgrund der Gravitation am Boden absetzen. Allerdings sind diese Anlagen bei der Abscheidung besonders feiner Partikel wie Mikroplastik begrenzt wirksam.
Eine Weiterentwicklung stellt die Verwendung von Filtern dar. So können beispielsweise Retentionsbodenfilteranlagen genutzt werden, um auch feinste Partikel wie Mikroplastik effektiv aus dem Regenwasser zu entfernen. Diese Anlagen kombinieren die Sedimentation mit der Filtration und der biologischen Reinigung, wodurch sowohl grobe als auch feine Schwebstoffe effizient entfernt werden.
Darüber hinaus gibt es innovative Filtermaterialien, die speziell zur Entfernung von Mikroplastik entwickelt wurden. Diese Filter enthalten sorptive Medien, die in der Lage sind, die Mikroplastikpartikel durch Adhäsion zu binden. Diese Technologien befinden sich jedoch oftmals noch in der Pilotphase oder sind nur in großen Projekten wirtschaftlich einsetzbar.
Berücksichtigung von DWA-A 102 in der Planungspraxis
Tabelle 5: Anforderungen an Regenwasserbehandlungsanlagen nach DWA-A 102
Das DWA-A 102 fordert eine integrierte Planung von Entwässerungssystemen unter Berücksichtigung des Gewässerschutzes. Dies bedeutet, dass die Planung bereits frühzeitig ansetzt und die gesamte Kette vom Regenwasserabfluss bis zur Einleitung in das Gewässer betrachtet wird. Die Auswahl der Behandlungstechnologie ist dabei an den jeweiligen Standort, die Beschaffenheit der Flächen und die Empfindlichkeit des Gewässers anzupassen.
In der Praxis bedeutet dies für Planungsbüros, dass die technischen Anlagen zur Regenwasserbehandlung nach den Anforderungen des jeweiligen Standorts auszulegen sind. Die Priorität liegt dabei auf der Minderung der Schadstofffracht und damit auch der Reduktion von Mikroplastikeinträgen. Die Anforderungen des DWA-A 102 helfen dabei, für jede spezifische Situation die geeignete Lösung zu finden, und setzen einen hohen Standard, um den Anforderungen des Gewässerschutzes gerecht zu werden.
Naturnahe Regenwasserbewirtschaftung als Ansatz
Tabelle 6: Vorteile der naturnahen Regenwasserbewirtschaftung
Ein alternativer Ansatz zur technischen Behandlung des Regenwassers ist die naturnahe Regenwasserbewirtschaftung. Infiltrationsanlagen, Mulden-Rigolen-Systeme oder auch begrünte Retentionsanlagen bieten die Möglichkeit, das Regenwasser lokal zu versickern und gleichzeitig eine Reinigung zu erzielen. Diese Verfahren sind besonders geeignet, um auch feine Partikel wie Mikroplastik auf natürlichem Weg zu eliminieren.
Ein wesentlicher Vorteil der naturnahen Regenwasserbewirtschaftung liegt darin, dass sie neben der Schadstoffreduktion auch einen positiven Einfluss auf das Mikroklima hat und zur Entlastung der Kanalisation beiträgt. Begrünte Räume tragen zur Verbesserung der Luftqualität bei, erhöhen die Biodiversität und schaffen zusätzliche Versickerungsmöglichkeiten für Niederschlagswasser.
Herausforderungen und Grenzen
Die Behandlung von Regenwasser, das Mikroplastik aus Reifenabrieb enthält, bleibt eine technische und ökologische Herausforderung. Die effektive Entfernung von Mikroplastik ist kostspielig und technisch anspruchsvoll. Viele der bestehenden Systeme sind nicht optimal auf die Abscheidung von so kleinen Partikeln ausgelegt, was bedeutet, dass trotz der Bemühungen weiterhin Mikroplastik in die Umwelt gelangt.
Zudem sind die technischen Standards und Regelungen, wie das DWA-A 102, zwar hilfreich, aber oft interpretationsbedürftig, was die Auswahl der richtigen Technologien betrifft. Die Entscheidung, welche Technologie zum Einsatz kommt, hängt stark von den spezifischen Standortbedingungen und der zu erwartenden Belastung des Regenwassers ab.
Zukunftsperspektiven und Forschung
Um die Herausforderungen der Mikroplastikbelastung langfristig zu lösen, sind Forschung und Innovation gefragt. Technologische Entwicklungen, die speziell auf die Entfernung von Mikroplastik ausgerichtet sind, müssen gefördert und weiterentwickelt werden. Auch die Reifenindustrie ist gefordert, Alternativen zu den bisher verwendeten Materialien zu entwickeln, um den Abrieb und die damit verbundenen Umweltbelastungen zu minimieren.
Ein weiterer Ansatz ist die Sensibilisierung der Öffentlichkeit und die Förderung nachhaltiger Mobilitätskonzepte. Der Einsatz von öffentlichen Verkehrsmitteln, Fahrrädern oder anderen umweltfreundlichen Fortbewegungsmitteln kann dazu beitragen, die Belastung durch Reifenabrieb zu reduzieren. Gleichzeitig sind Kommunen und Planer gefordert, innovative Entwässerungskonzepte zu entwickeln, die den Anforderungen der heutigen Zeit gerecht werden.
Fazit
Mikroplastik aus Reifenabrieb stellt eine erhebliche Umweltbelastung dar, der mit gezielten Maßnahmen in der Regenwasserbewirtschaftung begegnet werden muss. Das DWA-A 102 und die Elimination der AFS63 bieten einen technischen Rahmen, der Planern hilft, geeignete Lösungen zu finden, um den Eintrag von Mikroplastik in die Gewässer zu minimieren. Neben technischen Lösungen spielen auch naturnahe Ansätze und die Integration in ein nachhaltiges Stadtplanungskonzept eine wichtige Rolle.
Letztlich ist es eine gemeinsame Aufgabe von Ingenieuren, Kommunen, der Industrie und der Öffentlichkeit, nachhaltige Wege zu finden, um Mikroplastikbelastungen zu reduzieren und die Gewässer zu schützen. Die aktuellen Entwicklungen zeigen, dass wir noch am Anfang stehen, wenn es darum geht, das Problem der Mikroplastikverschmutzung wirklich zu lösen. Dennoch bieten die Regelungen des DWA-A 102 und die technischen Möglichkeiten der AFS63 wichtige Ansätze, die bereits heute wirksam umgesetzt werden können. Ein Umdenken in der Planung und ein verantwortungsvoller Umgang mit den Ressourcen sind dabei unverzichtbare Schritte hin zu einer umweltfreundlicheren und mikroplastikfreien Zukunft.