Investitionsbedarf in der Wasser- und Abwasserwirtschaft in Deutschland – Analyse und Handlungsbedarf

Die kommunale Wasserver- und Abwasserentsorgung in Deutschland steht vor einem tiefgreifenden Investitionszyklus, der sowohl den Erhalt der bestehenden Infrastrukturen als auch deren Anpassung an zukünftige Herausforderungen umfasst. Im Auftrag des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) hat die Kanzlei Becker Büttner Held (BBH) eine umfassende Studie zur Ermittlung des Investitions- und Finanzierungsbedarfs für den zweiten Lebenszyklus der Wasserver- und Abwasserinfrastrukturen in Deutschland durchgeführt.

Ziel der Studie war es, auf makroökonomischer Ebene den zu erwartenden Investitionsbedarf in den kommenden 10 bzw. 20 Jahren zu prognostizieren. Die Berechnungen basieren auf öffentlich zugänglichen Datenquellen, branchenspezifischen Erfahrungswerten sowie auf den Ergebnissen einer umfangreichen Umfrage unter den Mitgliedsunternehmen des VKU. Insgesamt nahmen 94 Unternehmen der Wasserwirtschaft teil, deren Angaben zur Netzlänge, Altersstruktur, Rehabilitationsrate und zu geplanten Investitionshöhen eine wesentliche Grundlage für die Modellierung bildeten.

Der ermittelte Gesamtinvestitionsbedarf für den Zeitraum von 2025 bis 2044 beläuft sich auf etwa 800 Milliarden Euro. Davon entfallen rund 35 % auf die Trinkwasserversorgung und 65 % auf die Abwasserentsorgung. Zusätzlich wurde ein Investitionsmehraufwand von etwa 10 bis 15 % für notwendige Anpassungen an den Klimawandel und weitere externe Einflüsse identifiziert.

Im betrachteten Zeitraum ergibt sich ein durchschnittlicher jährlicher Investitionsbedarf von ca. 40 Milliarden Euro – eine Vervierfachung im Vergleich zum derzeitigen Niveau von etwa 10 Milliarden Euro jährlich. Besonders hoch fällt der Investitionsbedarf im ersten Jahrzehnt (2025–2034) mit durchschnittlich 45 Milliarden Euro pro Jahr aus. In der Folge sinkt das Volumen leicht auf 34 Milliarden Euro jährlich im Zeitraum von 2035 bis 2044.

Die aktuelle Infrastruktur weist einen hohen Alterungsgrad auf. Große Teile der Leitungs- und Kanalnetze wurden in den 1950er bis 1970er Jahren errichtet. Die durchschnittliche Rehabilitationsrate der Versorgungsunternehmen liegt laut Umfrage bei 1 bis 1,5 %, was einer rechnerischen Nutzungsdauer von 67 bis 100 Jahren entspricht. Der daraus resultierende Erneuerungsbedarf wird durch steigende Anforderungen an Qualität, Umweltschutz und Klimaanpassung noch verstärkt.

Die Deutsche Vereinigung des Gas- und Wasserfaches (DVGW) sowie Daten des Statistischen Bundesamts (DESTATIS) lieferten ergänzende Grundlage zur Quantifizierung der Anlagen- und Netzstrukturen. So umfasst das deutsche Trinkwassernetz rund 530.000 bis 540.000 km, das Abwassernetz etwa 619.000 km, zusätzlich bestehen rund 8.659 Abwasserbehandlungsanlagen und 81.548 Regenentlastungsbauwerke.

Im zugehörigen Positionspapier des VKU wird betont, dass zur Sicherstellung der Versorgungsqualität und zur Stärkung der Resilienz der Systeme eine zielgerichtete Investitionsoffensive notwendig ist. Diese muss flankiert werden durch politische Maßnahmen, darunter:

  • Integration der Wasserwirtschaft in das Sondervermögen „Infrastruktur“ des Bundes und der Länder.

  • Fördermaßnahmen zur Kostendämpfung, wie eine Absenkung der Mehrwertsteuer auf Trinkwasser und die Mobilisierung bestehender Umweltabgaben zur Infrastrukturfinanzierung.

  • Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung, um die Umsetzung dringend notwendiger Maßnahmen zu ermöglichen.

  • Langfristige Investitionssicherheit durch strategische Ausrichtung über Legislaturperioden hinweg.

Die Erneuerung der Infrastrukturen ist generationsübergreifend zu betrachten. Bei Investitionszeiträumen von 80 bis über 100 Jahren ist eine nachhaltige Finanzierung sicherzustellen, die Kosten sozialverträglich verteilt. Die Studienautoren und der VKU verweisen darauf, dass die tatsächlichen Mehrkosten für die Nutzer durch die langfristige Abschreibung der Investitionen über viele Jahre abgefedert werden können.

Zusammenfassend zeigt die Untersuchung den dringenden Handlungsbedarf zur Sicherung der öffentlichen Daseinsvorsorge im Bereich Wasser und Abwasser. Ohne gezielte Investitionen und politische Unterstützung drohen mittelfristig Substanzverzehr, Versorgungslücken und steigende gesundheitliche Risiken.

Quelle:

  • BBH-Gruppe im Auftrag des VKU (2025): Studie „Investitionsbedarf in der (Ab-)Wasserwirtschaft“

  • VKU (2025): Positionspapier „Wachsender Investitionsbedarf in eine zukunftsfeste (Ab-)Wasserwirtschaft“

 

Investitionsbedarf in der Wasser- und Abwasserwirtschaft in Deutschland – Analyse und Handlungsbedarf