In Abwasserkanälen treten unterschiedliche hydraulische Fließzustände auf, die durch Variablen wie Strömungsgeschwindigkeit, Füllhöhe, Kanalquerschnitt und Gefälle beeinflusst werden. Die Kenntnis dieser Zustände ist für die Planung und Dimensionierung von Kanalsystemen essenziell. Im Folgenden werden die wichtigsten hydraulischen Fließzustände beschrieben und anhand von Berechnungsbeispielen verdeutlicht. Die Berechnungen basieren auf physikalischen und mathematischen Grundlagen, die spezifisch auf die jeweiligen Strömungsarten zugeschnitten sind.
Die laminare Strömung tritt in Abwasserkanälen bei sehr niedrigen Fließgeschwindigkeiten auf. In diesem Zustand fließt das Wasser in parallelen Schichten ohne Vermischung. Die Geschwindigkeit kann mit der Hagen-Poiseuille-Gleichung berechnet werden.
Beispielrechnung:
Gegeben:
Rohrdurchmesser D = 0,1 m
Viskosität η = 0,001 Pa·s
Länge L = 10 m
Druckdifferenz ΔP = 500 Pa
Die Fließrate Q berechnet sich aus der Gleichung:
Q = (π * (0,1)^4 * 500) / (128 * 0,001 * 10) ≈ 0,000123 m³/s
Das Ergebnis ist Q ≈ 0,000123 m³/s und die durchschnittliche Geschwindigkeit v beträgt etwa 0,0157 m/s.
Die turbulente Strömung kommt bei höheren Geschwindigkeiten vor und führt zu Strudeln und Wirbeln. Die Darcy-Weisbach-Gleichung dient zur Berechnung des Druckverlustes bei turbulenter Strömung.
Beispielrechnung:
Gegeben:
Rohrdurchmesser D = 0,3 m
Geschwindigkeit v = 2 m/s
Länge L = 20 m
Reibungsbeiwert f = 0,02
Dichte des Wassers ρ = 1000 kg/m³
Der Druckverlust ΔP berechnet sich wie folgt:
ΔP = 0,02 * (20 / 0,3) * (1000 * (2)^2 / 2) ≈ 2667 Pa
Das Ergebnis ist ein Druckverlust von etwa 2667 Pa.
Die Freispiegelabfluss tritt in offenen Gerinnen auf und ist charakterisiert durch Strömungen, die an die Atmosphäre anschließen. Die Geschwindigkeit lässt sich mit der Manning-Strickler-Gleichung berechnen.
Beispielrechnung:
Gegeben:
Hydraulischer Radius R = 0,5 m
Gefälle S = 0,01
Strickler-Rauheitsbeiwert ks = 70
Die Geschwindigkeit berechnet sich wie folgt:
v = 70 * (0,5)^(2/3) * (0,01)^(1/2) ≈ 4,41 m/s
Das Ergebnis ist eine Geschwindigkeit von etwa 4,41 m/s, was zu einem Abfluss von ca. 2,21 m³/s führt, wenn der Kanalquerschnitt 0,5 m² beträgt.
Schießende Strömungen treten auf, wenn die kinetische Energie der Strömung dominiert. Sie lässt sich anhand der Froude-Zahl bestimmen.
Beispielrechnung:
Gegeben:
Geschwindigkeit v = 5 m/s
Wassertiefe h = 0,2 m
Die Froude-Zahl berechnet sich wie folgt:
Fr = 5 / sqrt(9,81 * 0,2) ≈ 3,57
Das Ergebnis ist eine Froude-Zahl von etwa 3,57, was auf eine superkritische Strömung hinweist.
Bei der Druckströmung fließt das Wasser unter Druck und füllt den Kanal vollständig aus. Die Berechnung erfolgt mit der Bernoulli-Gleichung.
Beispielrechnung:
Gegeben:
Einlassgeschwindigkeit v1 = 1 m/s
Einlasshöhe z1 = 5 m
Auslasshöhe z2 = 0 m
Druck am Einlass p1 = 100 kPa
Druck am Auslass p2 = 80 kPa
Die Geschwindigkeit v2 am Auslass berechnet sich durch die Bernoulli-Gleichung:
100000 + (1000 * (1)^2 / 2) + 1000 * 9,81 * 5 = 80000 + (1000 * v_2^2 / 2)
v_2 ≈ 11,8 m/s
Das Ergebnis ist eine Auslassgeschwindigkeit von etwa 11,8 m/s.